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„Es braucht Mut, sich die eigenen Schwächen anzuschauen“

GOKIXX News

Er hat ein kleines Stück Bundesliga-Geschichte geschrieben. Jan Rosenthal ist einer von nur zwei Feldspielern in der Bundesliga-Historie, die einen Elfmeter parieren konnten. Seine spektakuläre Parade gegen den Strafstoß des Wolfsburgers Edin Dzeko im Dezember 2008 ist längst Legende. Doch der 36 Jahre alte Rosenthal hat weitaus mehr Spuren hinterlassen. Insgesamt 200 Bundesliga-Einsätze stehen auf dem Konto des Mittelfeldspielers, der es in elf Saisons auf 24 Tore brachte. Nach seinem Debüt für Hannover 96 im Jahr 2006 lief Rosenthal noch für den SC Freiburg, Eintracht Frankfurt und den SV Darmstadt 98 in der Beletage des deutschen Fußballs auf. Der offensive Mittelfeldspieler, der es zudem auf 17 U21-Länderspiele brachte, beendete seine Karriere im Jahr 2018.

Dem Fußball aber ist Rosenthal dennoch verbunden geblieben – nun gibt er seine Expertise ganz bewusst an junge Nachwuchsspieler weiter. Als Mentor und Investor bei GOKIXX unterstützt er die Talente auf ihrem Weg zur Profi-Karriere. Eines seiner zentralen Themen ist Mentalität. Wir haben mit dem 36-Jährigen über seine persönlichen Erfahrungen, den Nutzen externer Hilfestellungen und die Bedeutung mentaler Stärke für das Gelingen einer Profi-Karriere gesprochen.

Jan Rosenthal - Hannover96

Bildquelle: imago/Kaletta

GOKIXX: Jan, wir wollen gern mit dir über das Thema mentale Stärke sprechen. Wie würdest du diesen unscharfen Begriff überhaupt fassen?

Jan:„Wir alle im Fußball kennen das Thema körperliche Stärke und trainieren sie. Der mentale Zustand ist aber genauso wichtig wie der körperliche Zustand und dieses oft verwendete Wort „Mentalität“ ist letztlich entscheidend für den Wunsch und die Chance, Fußball-Profi zu werden. Es geht darum, alles, was man lernt, trainiert und über die Jahre aufgebaut hat, genau dann zu 100 Prozent abrufen zu können, wenn es darauf ankommt. Bei mentaler Stärke geht es darum, unabhängig von äußeren Umständen zu sein.“

GOKIXX: Was heißt das konkret?

Jan:„Ich erzähle da gern ein Beispiel aus meiner eigenen Karriere: Wir hatten mit Darmstadt im Jahr 2015 ein wichtiges Zweitliga-Spiel gegen Eintracht Braunschweig, Dritter gegen Fünfter, es ging um den Aufstieg. Ich war kurz zuvor eingewechselt worden, es steht 0:0, Nachspielzeit. Der Ball fällt mir auf den Fuß, Schuss ins linke Eck. Schlusspfiff, drei Punkte, am Ende sind wir aufgestiegen. Es ist wichtig, in diesen Momenten da zu sein, den vollen Fokus zu haben.“

„Der Körper ist dein Kapital, aber der Körper kann nur bei mentaler Fitness seine volle Leistung abrufen.“

GOKIXX: Wie kann so etwas gelingen?

Jan:„Es geht darum, einen optimalen Leistungszustand zu haben und dabei auch schwierige Situationen zu meistern. Die Grundfrage ist immer: Wie bekomme ich meine Fähigkeiten im entscheidenden Moment auf den Platz? Die Grundantwort ist: Der Körper ist dein Kapital, aber der Körper kann nur bei mentaler Fitness seine volle Leistung abrufen.“

GOKIXX: Welche Rolle spielt dabei das Selbstvertrauen?

Jan:„Selbstvertrauen bedeutet, wie der Name schon sagt: Ich vertraue auf mich selbst. Es tut vermeintlich gut, wenn Freunde ständig sagen, wie gut man ist oder der Trainer nach einer Einheit kommt und sagt: „Mensch, gut trainiert.“ Das gibt vielleicht einen Push, aber im Endeffekt muss es dem Spieler gelingen, seinem eigenen Anspruch zu genügen. Das ist der alles entscheidende Punkt.“

„Sucht Euch FreundInnen, MentorInnen, Vertraute, mit denen ihr solche Themen, die euch belasten und bedrängen, besprechen könnt.“

GOKIXX: Was empfiehlst du jungen Spielern, um dem ständigen Stress und Druck gewachsen zu sein?

Jan:„Als Leistungssportler haben wir den Gedanken, dass wir immer leisten müssen, alle Erwartungen erfüllen müssen, die an uns gestellt werden. Egal, ob es die Eltern, Freunde, Berater oder Lehrer sind. Dabei sollten wir uns immer fragen: Erwarten diese das wirklich? Denn wir sind ja alle auch gute Typen, ohne diese Dinge zu erreichen. Es ist wichtig, einen Anspruch an sich selbst zu haben, aber es ist genauso wichtig, zu erkennen, was ohnehin alles Schöne da ist. Ein Rat von mir an junge Talente: Sucht Euch FreundInnen, MentorInnen, Vertraute, mit denen ihr solche Themen, die euch belasten und bedrängen, besprechen könnt. Genau an dieser Stelle macht ja die GOKIXX Academy auch die Angebote, um als neutrale Instanz zu wirken. Dieser Ansatz gefällt mir außerordentlich gut. Manchmal ist es wirklich wichtig, diese Dinge im Austausch rauszulassen. Andere Leute können euch oft mehr helfen, als ihr denkt.“

GOKIXX: Sprichst du da aus persönlicher Erfahrung?

Jan:„Ja, ich habe lange versucht viele Themen allein zu verarbeiten und das war nicht wirklich gesund. Jeder von uns braucht irgendjemanden – und sei es nur, wie etwa bei einem guten Sportpsychologen, dazu da, dass dir jemand das Rüstzeug vermittelt, dass du viele Situationen und Probleme irgendwann allein regeln kannst. Du irgendwann so stabil bist, dass es immer funktioniert. Wie bei einem Pass, der dir beim 1.000-mal auch gelingt, weil er automatisiert ist. Unser Denken funktioniert genauso. Wenn du in bestimmten Lagen immer den gleichen Gedanken hast, dann denkt der Kopf den Gedanken irgendwann automatisch.“

GOKIXX: Nicht jedem liegt diese Offenheit, etwa das Gespräch mit einem Psychologen. Wie baut man da Hemmungen ab?

Jan:„Der erste Punkt ist, zu erkennen, dass es ein Problem, etwas Belastendes gibt. Diese Akzeptanz ist bereits der erste Schritt zur Besserung. Dazu bedarf es gewisser Skills und Charaktereigenschaften. Es braucht Mut, sich diese Schwächen und Probleme anzuschauen. Darum engagiere ich mich bei GOKIXX, weil ich jungen Talenten auf diesem Weg helfen, sie begleiten möchte. Mutig sein und zu zeigen was man kann, kann jeder. Mutig zu sein und zu zeigen, was man nicht kann oder wo man Stress hat – das ist die große Herausforderung. Dazu bedarf es auch einer Ehrlichkeit und Achtsamkeit, sich selbst und anderen gegenüber.“

GOKIXX: Kannst du da mal ein praktisches Beispiel nennen?

Jan:„Zum Beispiel, sich einzugestehen, ich habe nicht gut trainiert und deshalb vielleicht auch zurecht nicht gespielt. Zusätzlich braucht man dann auch Akzeptanz, die Fähigkeit zu sagen: Okay, ich habe nicht gespielt oder wurde nicht nominiert, ich kann es nicht mehr ändern. Aber ich kann es akzeptieren und sagen: ‚Es geht weiter‘.“

„Meine Karriere hätte mit der richtigen Unterstützung sicher auch noch höher führen können. Aus dieser persönlichen Erfahrung weiß ich, wie wichtig eine unterstützende Begleitung ist.“

GOKIXX: Sprichst du da aus eigener Erfahrung?

Jan:„Ich habe mir oft nicht zugestanden, schwach zu sein in meiner Karriere. Das ist übrigens ein Grund auch für meine häufigen Verletzungen gewesen. Den Erwartungsdruck zu verdrängen, funktioniert nicht immer wirklich gut. Dann meldet sich irgendwann der Körper, sagt ‚Ich kann nicht mehr‘ und gibt euch mit einem Faserriss oder einer Bänderdehnung zu erkennen, dass es einfach zu viel wird. Meine Karriere hätte mit der richtigen Unterstützung sicher auch noch höher führen können. Aus dieser persönlichen Erfahrung weiß ich, wie wichtig eine unterstützende Begleitung ist. Das ist der Punkt, wo ich mich bei und mit GOKIXX engagiere. Ich selbst habe es eben auf die harte Tour lernen müssen.“

GOKIXX: Du hattest in deiner Karriere in der Tat sehr viele Verletzungen. Was kannst du jungen Spielern für diese schwierigen Phasen empfehlen?

Jan:„Im Jahr 2005, kurz vor dem Abitur, hatte ich meinen ersten Kreuzbandriss im Knie. Das war bei einem Testspiel, mein erster Profieinsatz, da war ich noch A-Jugendlicher. Da habe ich kurz gedacht, meine Karriere sei vorbei. Aber dann habe ich es akzeptiert und den ganzen Sommer über Koordinationstraining, Krafttraining gemacht – ich habe so hart trainiert, dass ich nach diesen sieben bis acht Monaten meinen ganzen Jugendkörper auf Herrenniveau trainiert hatte. Ich habe dann in der ersten Profisaison 30 Spiele absolviert und sieben Tore erzielt. Im Nachhinein hat dieser Kreuzbandriss also dazu geführt, dass ich mich in der Reha-Zeit voll auf den Profifußball vorbereitet habe.“

Jan Rosenthal - SV Darmstadt 98

Bildquelle: imago/Jan Huebner

GOKIXX: Wie sollten junge Talente denn da ihren Alltag gestalten?

Jan:„Es ist wichtig, Routinen zu entwickeln. Es hilft einfach Kraft zu sparen, wenn es feste Abläufe gibt. In diesen Routinen sollten aber Auszeiten mit eingebaut werden, in denen man sich einen anderen Fokus sucht. Das kann alles Mögliche sein: ein Spaziergang mit einem Freund, ein Besuch bei Familienmitgliedern, ein Kinobesuch oder ein komplett anderes Hobby.“

GOKIXX: Hattest du selbst auch eins?

Jan:„Ich habe angefangen zu malen, weil ich in Kunst immer gut war und es mir Spaß gemacht hat. Am Ende meiner Karriere habe ich dann eine Ausstellung gemacht und übrigens sogar ein paar Bilder für teilweise vierstellige Summen verkauft. Vielleicht eher, weil ich Profi war als deshalb, weil sie so gut waren.“ (lacht)

GOKIXX: Es geht auch um Ablenkung.

Jan:„Es geht um einen anderen Fokus und um die Struktur, die eigentlich jeder Mensch braucht.
Das baut Stress ab, denn auch der Kopf braucht Regeneration. Beim Körper weiß jeder Sportler: Zwei Tage vor dem Spiel beim Training hat man nicht mehr alles raus, beim Kopf ist es das gleiche: Niemand kann und sollte sieben Tage die Woche 24 Stunden Fußball im Kopf haben. Denn dann wird es ungesund.“